Freitag, 6. November 2015

Mein Besuch in einer Flüchtlingsunterkunft

Nachdem ich im Netz und in den Medien alle denkbaren Kommentare zu den Flüchtlingen gelesen habe, habe ich mich entschlossen, mir einmal selbst vor Ort, d.h., in einer Flüchtlingsunterkunft, ein Bild zu machen.
Ich suchte mir einen ehemaligen Landgasthof aus, in dem ca. 80 Flüchtlinge untergebracht sind. Beim Betreten des schlichten Hauses erwartete mich der typische 60er-Jahre-Charme solcher einfachen Garni-Pensionen für Handlungsreisende und Monteure: Dunkle enge Gänge, von denen links und rechts Zimmertüren abgingen, die in kleine Zimmer ohne Badezimmer, aber mit Waschbecken führten.
In einem der Gänge gab es eine Nische mit einem Tisch, an dem 5 Männer saßen, die gerade Reis mit einer roten Sauce aßen. Neben ihnen lief ein alter Röhrenfernseher, der aber nur ein einziges deutsches Programm zeigte, wie sie mir erklärten. Sie luden mich sofort freundlich zum Mitessen ein.
Ich setzte mich zu ihnen und fragte als erstes, wie sie hergekommen waren. Sie erzählten mir von ihrem strapaziösen Fußmarsch über den Balkan. Lächelnd und ohne ein Wort der Klage übrigens.
Einer von ihnen war ein 20jähriger Student, der schon erstaunlich gut Deutsch sprach. Er erzählte mir, dass er einen Studienplatz an einer Uni in Duisburg bekommen habe, den er antreten könnte, wenn er ein Jahr lang Deutsch gelernt und eine Prüfung bestanden hätte. Seine Zeugnisse würden anerkannt. Die Uni sei extra für die Flüchtlinge eingerichtet worden.
Am Tisch herrschte eine entspannte, freundliche Stimmung und es wurde viel gelacht.
Der Lärm weckte einige der in ihren Zimmern Schlafenden und sie kamen neugierig zu uns, als sie mich sahen. Auch sie waren ausgesprochen freundlich zu mir und einer brachte mir unaufgefordert eine Tasse Kaffee.
Auf meine Frage erklärte mir ein 33 Jähriger, warum er aus dem Libanon geflohen war. Er war Syrer, betrieb ein Computergeschäft und war überfallen und ausgeplündert worden. Als er sich zur Wehr setzen wollte, hatte man ihn bewusstlos geschlagen. Er ging zur Polizei und zeigte die Täter an, die er kannte. Die Täter erklärten, dass er sie als Christen und Libanesen beleidigt hätte. Daraufhin wurde er, der Anzeigenerstatter, 5 Tage eingesperrt.
Nach seiner Entlassung sollte er einer Kampfeinheit der Al-Nuzra beitreten, die in Aleppo eingesetzt werden sollte. Er hatte keine Lust zu sterben und beschloss zu fliehen.
Als er sich seinen Pass abholen wollte, musste er 800 Dollar Bestechungsgeld zahlen. Wohlgemerkt seinen ganz regulären syrischen Pass - sagte er jedenfalls. Danach floh er für 2000 Dollar in einem Boot übers Mittelmeer nach Griechenland und lief von dort zu Fuß oder fuhr teilweise mit Bussen nach Deutschland.
An der deutschen Grenze fragte ihn ein Polizist nach seinem Visum. Er hatte keins. Der Polizist lächelte ihn nur freundlich an und fragte ihn, ob er etwas essen wollte. Als er dankend ablehnte, brachte ihn der Polizist zu einem Zug und schenkte ihm einen Plastikbeutel mit einer Wasserflasche, einer Banane und einer Tafel Schokolade.
Er sagte, wenn er ohne Visum an eine syrische Grenze gekommen wäre, hätte man ihn brutal verprügelt und für unbestimmte Zeit eingesperrt. Er wollte eigentlich nach Schweden weiter. Aber wegen der freundlichen Begrüßung beschloss er sofort, in Deutschland zu bleiben.

Alle erzählten mir, dass es seit 4 Jahren überall in Syrien und dem Libanon zu brutalen Kämpfen zwischen Sunniten und Schiiten kommt. Aber nicht, weil al-Assad sie aufeinander hetzt.
Das wäre ein reiner Religionskrieg, erklärten sie mir. Wenn der Chef de Priére einer Moschee sagt, dass jemand ungläubig (Kaffer) sei und getötet werden müsse, läuft sofort jemand los und bringt den Betreffenden um. Selbst, wenn es sein Nachbar ist, mit dem er jahrelang Wand an Wand zusammen lebt.

Das geht laut meinen Gesprächspartnern seit vier Jahren so und hat natürlich einen ungeheuren Hass geschürt – und den haben die meisten der Flüchtlinge immer noch in sich. Dieser Hass auf die andersgläubigen Muslime und Ungläubige entlädt sich täglich in wüsten Schlägereien in den Aufnahmelagern. Inzwischen sogar mit Messern und selbst gebastelten Waffen, wie sie mir erzählten. In Erstaufnahmelagern muss es laut meinen Gesprächspartnern zugehen wie im Krieg in Syrien. Pausenlos rückt die Polizei mit Mannschaftsbussen an, um der Situation einigermaßen Herr zu werden. Rücken sie ab, gehen die Schlägereien weiter.

Die einhelligen Aussagen änderten sich, als ich sie fragte, wer oder was ihrer Meinung nach das Feuer in der Region entzündet hat. Denn schließlich hätten sie ja alle jahrzehntelang friedlich zusammen gelebt. Jeder schien einen anderen Schuldigen zu kennen. Einer sagte, dass er denke, dass die USA und Israel das Feuer geschürt hätten. Ein anderer gab Assad die Schuld. Ein Dritter meinte, dass sie alle zusammen arbeiten würden, um die Syrer zu vertreiben und sie ungestört an das Öl und das Gold heran könnten. Jetzt kämen ihnen allerdings die Russen in die Quere. Die hätte Assad geholt, als er merkte, dass er herein gelegt werden sollte.

Die Jungs, mit denen ich sprach, sagten, dass sie es nicht verstünden, dass ihre Landsleute den Hass und die Intoleranz nicht in ihren Heimatländern gelassen hätten. Einer der Syrer, ein IT-Networker, meinte, sie müssten alle „neu formatiert werden“.

Mein Fazit: Es scheint alles richtig zu sein, was im Netz verbreitet wird. Sowohl die positiven als auch die negativen Aspekte treffen zu. Wie immer entscheidet jeder Mensch selbst, was er sich davon aussucht – natürlich nur, wenn ihm eine Wahl gelassen wird.

Eine sehr interessante Erkenntnis zum Schluss:
Als ich die Männer am Tisch fragte, ob sie in Deutschland bleiben wollten, antwortete einer von ihnen: „Nein, wir warten auf unsere Green Card, die uns eine Aufenthaltserlaubnis für 3 Monate garantiert. Wenn wir die haben, gehen wir auf jeden Fall in ein anderes europäisches Land.“
Ich sah ihn verdutzt an und fragte, warum. Er antwortete:
„In Deutschland ist es mir zu gefährlich. Da gibt es zu viele gewaltbereite und hasserfüllte Muslims!"
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